Waende Südost
Bastardilla (Bogotá)Bastardilla (Bogotá)
Bastardillas Bild – von links nach rechts betrachtet – beginnt mit der Darstellung eines scharfkantig spitz abstehenden Elements. Dieses gehört zu einer Konstruktion, die im weiteren Verlauf in einer Röhre endet. Es handelt sich um die Darstellung einer Ölpipeline. Auf dem Endstück dieser von Menschenhand geschaffenen Konstruktion sitzt ein Pelikan, der eine Kette im Schnabel hält, auf deren Schmuckstück die Zahl 1 steht. Es entsteht die Assoziation, dass es sich um eine Medaille handeln könnte, mit der derjenige geehrt wird, der als erster Schwimmer die Ölpipeline erreicht. Neun menschliche Gestalten bewegen sich schwimmend auf den Pelikan zu. Die Körper der schwimmenden Menschen sind durchweg in gelben und orangen Tönen gehalten. Der Farbauftrag besitzt eine ornamentale Struktur. Er lässt im Betrachter die Interpretation zu, dass die Sehnen und Muskelstränge der Schwimmer so sehr angestrengt sind, dass sie deutlich zu sehen sind. Jeder Schwimmer trägt in den gleichen orange-gelben Tönen auch eine Badekappe. Die blicklosen Gesichter wirken verzehrt, ausgezehrt, angestrengt. Die Augen sind zusammen gekniffen. Die Münder geöffnet. Die Schwimmrichtung aller im Wasser befindlichen Personen ist dieselbe. Allerdings scheinen manche der schwimmenden Personen sich anzustrengen das Ziel – den Pelikan mit der Medaille – zu erreichen, andere liegen scheinbar ruhig auf dem Rücken. Die Flüssigkeit, in der die Schwimmer unterwegs sind, ist kaum als Wasser zu identifizieren, da es aus der Ferne betrachtet sehr dunkel, beinahe schwarz aussieht. Erst bei naher Betrachtung sind blaue Stellen in der dunkelblau bis schwarz wirkenden Flüssigkeit zu erkennen. Am unteren Bildrand, also auch unterhalb der Schwimmer, befinden sich Fässer, die ebenfalls in dieser Flüssigkeit zu schwimmen scheinen. Es wird deutlich, dass es sich um Ölfässer handelt und dass das Meer von Öl vollkommen durchsetzt ist. Das Meer ist vor lauter Ölflecken nicht mehr als solches zu erkennen. Auf dem Wasser schwimmen brennende Ölfilme, von denen Qualm aufsteigt. Auch die Menschen im Wasser scheinen an manchen Körperstellen zu brennen. Da die ganze Körperfläche in orange-gelb gehalten ist, entsteht der Verdacht, dass sie eventuell bereits vollständig brennen.
Die Dramatik der Situation wird durch den starken Farb- und Hell-Dunkelkontrast deutlich unterstützt. Die einzige auf dem Rücken liegende Person erinnert unter diesen Umständen an einen Leichnam, da dies die einzige Person ist, deren Mund geschlossen ist und nicht mehr der Versuch zu erkennen ist, Luft zu bekommen. Es sind auch keinerlei andere Lebenszeichen bei ihr zu erkennen.Die Grausamkeit der Situation wird durch die Absurdität der Darstellung des Pelikan und seiner im Schnabel befindlichen Medaille erhöht. Die Menschen scheinen im Wasser um ihr Leben zu kämpfen und sie schwimmen freiwillig auf die Pipeline zu, die dem Meer immer mehr Öl zuführt. Sie schwimmen also freiwillig auf ihren Tod zu. Es wird nicht klar, ob sie versuchen sich zu retten, oder ob sie tatsächlich an einer Art Wettbewerb teilnehmen, blind (alle Menschen sind mit zusammengekniffenen Augen dargestellt) für das, was sie tatsächlich gerade tun. Dass sie ihr Unglück nämlich selbst verantworten.
Das Bild befindet sich direkt an einer Autobahnauffahrt. Es gibt für die Fahrzeuge nur eine Richtung, in der sie sich bewegen können. Die Menschen auf dem Bild schwimmen ihnen eindeutig entgegen. D.h. die Autofahrer sind mit den ihnen entgegen kommenden Schwimmern konfrontiert. Das Bild soll, so erklärt es Bastardilla, die kolumbianische Künstlerin, „(…)das Unglück des gedankenlosen Erdölkonsums offensichtlich machen, an dem wir alle (die ganze Welt) beteiligt sind.“ Es befindet sich genau dort, wo es die Menschen erreicht, die Erdöl konsumieren. Der Adressat ist der Autofahrer, sind wir.
Bastardilla aus Bogotá, Kolumbien, ist eine der herausragenden Persönlichkeiten in der jungen und weltweit beachteten Graffiti-Muralismo Bewegung Lateinamerikas. Ihr Pseudonym, das im Spanischen „kursiv“ heißt, schützt sie weniger vor Strafverfolgung als der Neugier ihrer Fangemeinde.
Im Zentrum ihrer Kunst steht der Mensch, als verletzliches Wesen zwischen Melancholie und Hoffnung. Oft liegende, Schutz suchende Figuren, eingebettet in Linien und bunte Muster, oder auch kämpferisch geradeaus blickend, die eigenen Haare wie eine Maske der Rebellion vor das Gesicht geweht.
Ihre Kunst aus dem Geist von Poesie und Graffiti findet sich inzwischen in allen wichtigen Städten Kolumbiens. Ihr Logo, ein kleiner Vogel, grüßt von unzähligen Straßenecken und singt beim Fliegen von Freiheit. Einzigartig ist Bastardillas Einsatz von Material: In ihre Graffiti bindet sie direkt auf die nasse Farbe oft eine Schicht Glitzerstaub, der ihre Figuren die kolumbianische Sonne einfangen lässt. In tausend Facetten gesplittert trifft diese dann ins Auge des Betrachters, der eigentlich auf eine Wand schaut.
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