Waende Südost
Jachya Freeth (Amsterdam/Berlin)Jachya Freeth (Amsterdam/Berlin)
Das Bild von Jachya Freeth ist beim ersten und auch noch beim zweiten Betrachten als Gesamtes schwer zu fassen. Der erste Eindruck ist Buntheit, Vielfalt und Vielschichtigkeit, denn bei der Auseinandersetzung mit dem Wandbild kommt schnell die Vermutung auf, dass es sich um mehrere Bilder handelt, die wie Schablonen übereinander gelegt sind.
Eine der Bildebenen besteht aus freundlichen hellen Farben wie Rosa, Hellblau, Gelb und Orange, die wie Farbwolken aneinanderstoßen. Auf dieser Ebene und in ebendiesen Farben erscheinen z.B. Hände mit ausgestrecktem Zeigefinger, Hände mit Federkiel, Augen und verschiedene geometrische Figuren. Mehrere menschliche Figuren tauchen im Bild an unterschiedlichen Stellen und ohne erkennbare Verbindung zueinander auf. Auch finden sich Darstellungen einer Hand mit einem Beutel voller Münzen auf dem ein Dollarzeichen abgebildet ist (wie bei einem Comic), ein Roboter, Blumen, ein Skelett. Aus den bunten Wolkengebilden scheinen sich Nasen sowie menschenähnliche Figuren und Fische herauszubilden. Die Darstellung der Figuren in diesem Bild ist vom Stil her so unterschiedlich, dass man z.T. ein Kind und z.T. einen professionellen Maler als Urheber vermuten kann.
Eine weitere Ebene, die wie über die erste Ebene projiziert wirkt, zeigt geometrische Figuren, vor allem Quadrate und Pyramiden oder Dreiecke, die mit weißer und schwarzer Farbe wie über der Ebene des Bunten zu schweben scheinen. Neben den geometrischen Figuren erscheinen auch chemische Formeln. Zu dieser Ebene gehört ebenfalls die Darstellung eines Gehirns, welches sich in einer geometrischen Figur befindet.
An manchen Stellen ist das Bild nicht bunt, sondern schwarz. Es sieht so aus, als ließen die bunten Wolken an diesen Stellen das Firmament hindurchscheinen. Diese Vermutung wird durch die Identifizierung von Sternen, einen Astronauten und einem Sternzeichen (Widder) bestärkt. Ein Clown, der an einer Stelle im Bild erscheint, hält ein weißes Viereck wie einen Fensterrahmen mit einer Hand fest. Er hält eine Flasche in seiner Hand und scheint durch den Rahmen hindurch hinaus auf die Welt zu schauen. Der Clown ist in einem anderen Stil gemalt als die übrigen Figuren und sticht somit noch einmal deutlich innerhalb des Bildes hervor.
Sobald alle Bestandteile des Bildes einzeln identifiziert sind, wird vom Betrachter versucht, diese miteinander in einen Zusammenhang zu bringen, eine gemeinsame Geschichte zu finden. An dieser Stelle geben die Aussagen des Malers, der sein Bild „Raumzeit – Weltzeit – Freizeit“ nennt, entscheidende Hinweise: „Frei von physikalischen Schranken gleitet der Astronaut durch eine elektrische Welt. Oder ist es doch der Clown, der mit den Gesetzen der Physik spielt?“
Es bleibt dem Betrachter überlassen aus den Erzählfragmenten des Bildes seine eigene Geschichte zu lesen. Mit dem Gedanken, dass zwei Schulen sich in unmittelbarer Nähe seines Teilstücks der Waende Südost befinden, hat Jachya Freeth in seiner Arbeit Motive aus verschiedenen Feldern gemischt und übereinander geschichtet, sodass „im Ergebnis eine neue, ganz eigene Erzählung entsteht, die für Assoziationen und Interpretationen des Betrachters offen ist. Diese Bilder sind der Jugendkultur und dem Lernstoff von Schülern entlehnt und entspringen gleichzeitig meiner persönlichen Geschichte und meinen Interessen: u.a.Graffiti, Comics(Moebius, Marvel…), Kunst(Polke, Ackermann, Rauschenberg, Lichtenstein…), Astronomie, Mathematik, (Teilchen-)Physik und Chemie. Abfolge und Zusammenhang der einzelnen Motive entstanden spontan. Ein gewisses Maß an Ungeplantheit ist für mich ein wichtiger Teil des Entstehungsprozesses, bietet Raum für Überraschungen und ermöglicht ein lebendiges Wachstum des Werks. Die Gesamtgeschichte, die das Werk erzählt, entwickelt sich so aus sich selbst.“
Jachya Freeth, geboren 1974, wuchs in den Straßen Amsterdams auf. Als Techno die Clubs und chemische Drogen die Straßen eroberten und das U-Bahn-Sprayen zum Breitensport wurde, erreichte Freeth rasch den Rang eines einflussreichen Graffitisprayers. Als Writer war er ein Innovator und Trendsetter und wurde schnell in Europa weithin bekannt. So entwickelte sich seine Leidenschaft für Buchstaben und Farben hin zur Bemalung von Leinwand.
Freeth absolvierte ein Studium an der Gerrit Rietveld Akademie in Amsterdam, wo er vorwiegend in Öl malte – eine Technik, die viel Zeit und Geduld erfordert, im Unterschied zu seinen früheren Arbeiten, die normalerweise in kurzer Zeit ausgeführt wurden. Oft braucht es Wochen oder Monate, um eine Leinwand zu vollenden. Diese Bilder haben mithin einen völlig anderen konzeptionellen Hintergrund. Oft reflektieren sie den komplexen Charakter Freeths, eine gewisse Klugheit und Tiefgründigkeit.
Er verarbeitet Bilder aus dem scheinbar endlosen Strom popkultureller Ikonen, Erinnerungen an schmierige Straßen – vertraute Bilder genauso wie die Inspiration, die er aus seiner Umgebung und seiner Vorstellungskraft gewinnt.
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